die unwissenheit der literatur

Veranstaltungen Forschungmoduls Natur

Kurzbeschreibung des Forschungsmoduls Natur

Im hier vorgeschlagenen Modul sollen Dissertationsprojekte gebündelt werden, in denen unter dezidiert literaturwissenschaftlichem Fokus der Bedeutung der Darstellung im Umgang mit unsicherem Wissen über die Natur nachgegangen wird. Genauer sollen die einschlägigen Muster und Strategien der Repräsentation vor allem im Blick auf die sich erst seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert etablierenden und konsolidierenden Wissenschaften von der Geschichte der Erde und des Lebens (Geologie, Paläontologie, Zoologie, Biologie) untersucht werden. Im Zuge der Verzeitlichung und Historisierung der Natur wurden unter Rückgriff auf literarische Muster und Repräsentationsweisen Entwicklungsnarrative entworfen, welche die gesamte Kultur der Moderne geprägt haben und bis heute prägen. Solche Narrative implizieren immer auch konjekturale Ausgriffe, sowohl in eine (noch oder wieder) unbekannte Vergangenheit als auch in eine (noch oder wieder) unbekannte Zukunft. Paradigmatisch lässt sich hier beobachten, welche zentrale Rolle genuin literarisch-ästhetischen Verfahren bei der Strukturierung und Repräsentation unsicheren Wissens zukommt, so wie sich umgekehrt zeigt, wie die im Feld unsicheren Wissens (weiter-)entwickelten Narrative und Darstellungsmodi wiederum in die Literatur im engeren Sinne zurückwirken. Das Projekt verortet sich mithin im methodisch-theoretischen Kontext der aktuellsten Literature-and-Science-Studies.– Untersucht werden sollen die genannten Wechselwirkungen zwischen Literatur und Wissenschaft vor allem an Textkonstellationen aus der Zeit vom 18. bis ins frühe 20. Jahrhundert, wobei Ausgriffe bis in die Gegenwart nicht ausgeschlossen sein sollen. Das damit umrissene Feld soll nach vier Fragerichtungen aufgeteilt werden:

a) Erzählmuster: Im Blick auf die konjekturalen narrativen Ausgriffe in die Vergangenheit und Zukunft des Menschen lässt sich zum einen beobachten, wie beim Umgang mit dem neuen unsicheren Wissen auf alte Erzählmuster zurückgegriffen wird. Mit welchen Effekten? Zum andern muss danach gefragt werden, ob die einschlägigen Erzählpatterns teleologisch oder ateleologisch, ob sie zirkulär oder nicht-zirkulär sind und ob sie mit streng kausalen Verknüpfungen arbeiten, oder aber dem Zufall und der Kontingenz ihr mehr oder weniger freies Spiel gewähren.

b) Dezentrierung des Subjekts: In dem Maße, wie die Vorgeschichte des Menschen auf der Erde in den Blick kommt, rückt der traditionelle Protagonist menschlicher Geschichten und Geschichte, der Mensch, in den Hintergrund. Die Kulturgeschichte wird zu einer verschwindend kurzen Episode in einer viel umfassenderen Erdgeschichte, und der Mensch erscheint sowohl als Einzel- wie als Gattungswesen in vielen Punkten determiniert durch die umfassendere Entwicklungsgeschichte des Lebens. – Mit welchen, zumal darstellungstechnischen, Mitteln reagieren Wissenschaft und Literatur auf diese Dezentrierung des Menschen?

c) Entwicklungsrhythmen: Die Entdeckung der Historizität der Erde und des Lebens geht einher mit der Entdeckung, dass es geologische und biologische Prozesse gibt, die mit einer bis dahin unvorstellbaren Langsamkeit ablaufen. Diese neu entdeckte Langsamkeit steht in schärfstem Kontrast zur Beschleunigungskultur der Moderne. – Welche ästhetische Relevanz hat sie? Wie wird sie dargestellt und in literarischen Texten reflektiert?

d) Die Dynamisierung des Statischen: Im Zuge der Temporalisierung und Historisierung der Natur kommt es in doppeltem Sinne zu einer Dynamisierung zuvor als statisch gedachter Phänomene: Bezogen auf die Flora und Fauna kommt es zu einer Auflösung der bis dahin als unveränderlich konzeptualisierten Grenzen zwischen unterschiedlichen Tier- und Pflanzengattungen; bezogen auf die Erdoberfläche wird deutlich, dass der Inbegriff des Festgefügten, das heisst die Felsen und Berge, keineswegs starr, sondern in einer beständigen Veränderung begriffen sind. – Mit welchen ästhetischen Mitteln wird diese Dynamik vermittelt; wie schlägt sie sich in literarischen Darstellungen nieder?

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