die unwissenheit der literatur

Veranstaltungen des Forschungsmoduls Recht

Kurzbeschreibung des Forschungsmoduls Recht

Gegenstand des Moduls ist die literarische Auseinandersetzung mit dem unsicheren Wissen im Schnittpunkt von Strafrecht, Kriminalistik und Psychiatrie seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert im deutschsprachigen Raum.

Historischer Ausgangspunkt sind die bedeutenden strafrechtlichen und vor allem strafprozessrechtlichen Veränderungen, die seit dieser Zeit statthaben: die Stärkung der Rechte des Angeklagten, die Abschaffung der Folter und die Einführung der freien Beweiswürdigung. Damit einher geht die Aufwertung der Zeugenaussage und vor allem des Indiz, was wiederum die ‚Erfindung‘ der Kriminalistik nach sich zieht. Weiterhin kommt es zu einer verstärkten Einbeziehung des psychiatrischen Gutachtens in die Urteilsfindung.

Theoretische Grundlage dieser Umstrukturierungen ist – so die erste Arbeitshypothese des Moduls – die Umstellung der strafrechtlichen Urteilsfindung von einer geständnisgestützten richterlichen Gewissheit über die Schuld des Täters hin zu einer aussage‐ oder indiziengestützten diesbezüglichen Wahrscheinlichkeit; ein Modell, das aus der antiken Topik über die aufklärerische Philosophie in den modernen Rechtsdiskurs (und in dessen Kodifizierung) eingeflossen ist.

Dieser Transfer ist – so die zweite Arbeitshypothese des Moduls – von äußerstem Interesse für die deutschsprachige Literatur seit dem 18. Jahrhundert, die sich mit Themen der Kriminalität sowie strafrechtlicher Schuld und Verurteilung beschäftigt; man denke, um nur wenige Beispiele zu nennen, an Texte wie HEINRICH LEOPOLD WAGNERS Kindermörderin, GEORG BÜCHNERS Woyzeck, THEODOR FONTANES Unterm Birnbaum, FRIEDRICH GLAUSERS Studer‐Reihe, ROBERT MUSILS Mann ohne Eigenschaften (Moosbrugger‐Komplex) oder PETER HANDKES Der Hausierer und HANSJÖRG SCHNEIDERS Hunkeler‐Reihe.

Schon an dieser exemplarischen Reihung wird deutlich, dass die Kriminalliteratur einen wichtigen, aber keinen ausschließlichen Bereich des Forschungsprojektes darstellt. Untersucht werden sollen vielmehr alle literarischen Texte, welche die Unsicherheiten im forensischen Wissen reflektieren und diese zu der kalkuliert unfertigen und unsicheren Form der literarischen Schreibweise ins Verhältnis setzen.

Genauer gesagt sollen in dem beschriebenen Modul die literarischen Reflexe auf das unsichere Wissen in Bezug auf die strafrechtliche Theorie und Praxis der Urteilsfindung, die literarischen Antworten auf die in den jeweiligen Spezialdiskursen ausgehandelten Fragen und vor allem die Anverwandlung des unsicheren forensischen Wissens als eines originären Sprechmodus der Literatur in Figurendarstellung Objektbeschreibung, Narration und poetischer Selbstreflexion analysiert werden.Als Projektbereiche sind vorgesehen: ‚Das Indiz in der Literatur‘ (1), ‚Die kriminalistische Erzählweise‘ (2), ‚Der Prozess der Literatur‘ (3) und ‚Die Literatur in ihrer Auseinandersetzung mit der Forensischen Psychiatrie‘ (4).

Langtext Forschungsmodul Recht (pdf)

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